FRANK WIEBE - OUTPOST MAPPINGS

Verschiebung hat viel Elend und Leid mit sich gebracht. Dass wir hierzulande in Deutschland siebzig Jahre scheinbaren Frieden ha- ben, ist eine absolute Ausnahme. In kürzester Zeit haben wir es wie- der mit Despoten und Wahnsinnigen in Regierungsverantwortung zu tun, die alle Werte, für die wir stehen, mit Füßen treten. Wir werden die Komfortzone wohl schneller verlassen müssen als uns lieb ist! E S K Das heißt, deine Kunst ist als politische Kunst beabsichtigt? Und doch bedienst du dich abstrakter Formen. Glaubst du denn, dass diese Form von Kunst ausreicht, um jene Tragweite deiner Ge- danken zum aktuellen globalen Werteverfall zu veranschaulichen? Bräuchte es hierfür nicht andere Bilder oder Medien, die aufrüt- teln, wie sie etwa die Fotografie oder manche Filme heute liefern? F W Der Einwand ist gerechtfertigt. Die Frage, welches Medium dafür geeignet ist, lässt sich schwer beantworten. Mir ist klar, dass es formal noch andere Möglichkeiten des Ausdrucks gibt. Absichten verstärken sich durch fortwährende Arbeit. Wichtig ist mir: Ich will kein Floss der Medusa zeigen. Die Option, einen immer wie- derkehrenden Moment der Menschheitsgeschichte und dann noch mit den Mitteln der Malerei darzustellen, beinhaltet auf jeden Fall Schwierigkeiten. Aber Glaubwürdigkeit ist eine Voraussetzung, um etwas darstellbar zu machen. E S K Also geht es dir um Glaubwürdigkeit und Authentizität? Die- sen, nennen wir ihn einmal, „immer wiederkehrenden Moment der Menschheitsgeschichte“ mit abstrakten Bildmitteln darzustellen, ist in der Tat kein leichtes Unterfangen. Gegenständlich ist eine solche Darstellung ja in genialer Form in Albrecht Altdorfers „Alexander- schlacht“ wiedergegeben worden. Dieses Gemälde, das Teil eines Zyklus von Historienbildern für Herzog Wilhelm IV. von Bayern ist, stellt eine weltgeschichtsbestimmende Situation dar: den Sieg Alexander des Großen über den Perserkönig Dareios III. Es ist die Wiedergabe eines brisanten historischen Momentes, während des Schlachtengetümmels, in einer sogenannten Weltenlandschaft (mit Gebirgen, Meeren und so weiter, was Allgemeingültigkeit impliziert) unter einem die gesamte Szene überspannenden Himmel. Dieser Himmel verweist auf die kosmische Dimension der Darstellung. So- wohl die Zeit die Historie (330 v. Chr.) als auch die Zeit der Entste- hung des Bildes (1529, als die erste Wiener Türkenbelagerung statt- fand) sind hierfür von Bedeutung. Politik und Ideologie sind darin vielfältig präsent: nicht nur die Schlacht, auch die aufgehende Son- ne an der rechten Bildseite und die verschwindende Mondsichel an der linken Bildseite, zeigen den Sieg des Okzidents über den Orient. Und sie sind Verweise auf ein latent gegenwärtiges Problem unserer Zivilisation seit der Antike. Die als Trompe-l’Œil am oberen Bildrand befestigte Tafel mit Inschrift unterstreicht den historisch-aktuellen Charakter der Darstellung. F W Als Jugendlicher hatte ich „Die Alexanderschlacht“ von Altdorfer als Plakat in einer Mappe; ich war fasziniert von der surrealen Sogwirkung des Bildes, dem kosmischen Sonnenuntergang in die- sem gigantischen blauen Firmament. E S K Mal davon abgesehen, dass heute ein solches Bild formal und inhaltlich sehr anders aussehen müsste, möchtest du deinen Bildern eine ebensolche Bedeutungsvielfalt geben? Wenn ja, verstehst du deine Darstellungen eher als „Historienbilder“ im allgemeinen Sinne oder doch eher als aktuelle Bestandsaufnahme eines Ist-Zustandes? 5

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