FRANK WIEBE - OUTPOST MAPPINGS
Erika Schlessinger-Költzsch: Gibt es innerhalb der Kunstgeschichte eine Phase, einen Stil oder eine Zeit, die dich besonders fasziniert, die dich beschäftigt und damit auch indirekt Einfluss auf dein Werk ausübt, das ja offensichtlich ein Werk des 21. Jahrhunderts ist? Mir kommen angesichts deiner Werke auch solche Epochen wie Surre- alismus und/oder Renaissance in den Sinn. Wie stehst du dazu? Frank Wiebe: Mich interessieren verschiedene Phasen der Kunstgeschichte aus unterschiedlichen Gründen. Ich bin da aber nicht festgelegt. Nehmen wir die Renais- sance, da fallen mir spontanPaolo Uccellos „Schlacht von San Ro- mano“ oder auch Dürers bekanntes „großes Rasenstück“ ein. Bei- de sind unterschiedlichste Arbeiten, deren Anziehungskraft beim Anschauen nicht versiegt. Man kann aber auch Walter De Marias „Erdkilometer“ nehmen – eine kontemporäre Form der Land- schaftsdarstellung. Dieser Arbeit wird unterstellt, dass ihre ideel- le oder konzeptuelle Kraft wichtiger sei als ihre konkrete Präsenz und tatsächliche Betrachtung. Im Umkehrschluss gilt das auch für „Das große Rasenstück“ von Dürer und Uccellos „Schlacht von San Romano“. Wir haben zwar die Parameter, um deren Faszination zu erklären, aber das Zusammenspiel der Kräfte, die uns in Bann halten, ist nicht greifbar. Es ist vielleicht vermessen, aber ich ver- suche mich mit meiner Malerei einer solchen Wirkung anzunähern. E S K Deinen Vergleich hinsichtlich Uccello, Dürer und De Maria finde ich großartig, weil der Blick einmal auf den Makrokosmos (de Maria), einmal auf die menschliche Dimension (Uccello) und zuletzt auf den Mikrokosmos (Dürer) gerichtet wird. Und das über alle Epochen und Stile beziehungsweise Länder hinweg. Und dies bedeutet, dass Du, indem Du diese drei Künstler und ihre Werke be- nennst, dich mit deinen Werken und deren Motiven auch zu einer Art „Landschaftsdarstellung“ bekennst. Was fällt Dir zu dieser These ein? F W Dem kann ich zustimmen, aber es ist eine Landschaftsdarstellung im weitesten Sinne. Ich möchte mit malerischen Mitteln ein geologisches und geopoli- tisches Bild gleichermaßen zeigen. E S K Bedeutet das, dass Du erdgeschichtliche, topografische, klimabezogene, kurz, thematische Weltkarten entwirfst und die- sen durch den Vorgang deiner Malerei eine eigene Geschichte gibst? Und ist es von Dir beabsichtigt, dass diese jeweilige Ge- schichte/Bildgeschichte auch einen politischen Bezug aufweist? F W Ja, die einzelnen Fragmente sind die Protagonisten. Es sind Koexistenten, die nicht friedfertig in einer Gemeinschaft leben. Es geht mir nicht darum, vordergründig Konflikte oder Aggressionen zu zeigen, sondern das Gefühl zu vermitteln, dass hier in unserem Weltgefüge etwas nicht stimmt. Diese Vorstellung ist sehr wichtig, sonst würden die Arbeiten auf andere Weise in Erscheinung treten. E S K Du benutzt also abstrakte Bilddetails (Farbflächen, Farbfor- men, Farblinien) und setzt diese in einen Dialog miteinander, bzw. in eine Konfliktsituation zueinander. Und Du gibst diesen Bilddetails eine Protagonistenrolle. Trotzdem sind Sie nicht stellvertretend für bestimmte Länder, bestimmte Völker, Ideologien oder Ethni- en zu verstehen? F W Stimmt, wenn wir uns die politischen Karten Europas vom 13. bis zum 19. Jahrhundert anschauen, sehen wir permanente Veränderungen der Grenzlinien. Diese Verwerfungen sind einzig und allein Aus- druck von Aggression, Machtanspruch, aber auch Schwäche. Jede Erika Schlessinger-Költzsch im Gespräch mit Frank Wiebe 3
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